Silja Walter
Biografie
Cécile (Silja) Walter wurde am 23. April 1919 als zweites von neun Kindern in Rickenbach bei Olten in die Verleger- und Politfamilie Walter hineingeboren. Nach der Primar- und Bezirksschule besuchte sie das Lehrerinnenseminar in Menzingen. Das anschliessende Literaturstudium in Fribourg und später in Basel musste sie wegen einer Lungenerkrankung abbrechen. Noch während der Zeit ihrer Erkrankung erschien 1944 «Die ersten Gedichte». «Der Seidelbast» aus diesen ersten Gedichten ist noch heute gefragt auf Internet-Lyrik-Seiten.
Der Seidelbast
Im Walde wiegt der Seidelbast
Sich leise her und hin.
Seitdem du mich vergessen hast,
vergess ich, dass ich bin.
Ich weiss nicht, was mir hängt im Haar,
ob Schleh, ob gelber Schuh.
Ich singe scheu und sonderbar,
und hör mir selber zu.
Seitdem du mich vergessen hast,
träum ich so tief und schwer.
Im Walde wiegt der Seidelbast
Sich leise hin und her.
Silja Walter | Schwester M. Hedwig OSB
Ins Kloster am Rande der Stadt
Nach einem Berufungserlebnis 1947 am Schwarzsee bei Zermatt trat Silja Walter im März 1948 in das Benediktinerinnenpriorat Kloster Fahr ein. Hier legte sie am 11. Oktober 1949 ihre ersten Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Schwester Maria Hedwig. Ihre musischen Talente korrespondierten kaum mit dem damals selbstversorgenden Klosteralltag. Nach Jahren des nicht einfachen Einlebens im Kloster schrieb sie einzelne Auftragswerke wie etwa das «Wettinger Sternsingerspiel».
Als poetische Antwort auf die Kirchenkonstitution des II. Vatikanischen Konzils dichtete sie das Kirchenlied «Eine grosse Stadt ersteht». Anfang der 1970er-Jahre beteiligte sich Silja Walter an der Erarbeitung eines deutschsprachigen Hymnars für die Stundenliturgie. Vierzehn dieser freien deutschen Hymnen wurden 1978 in das Stundenbuch aufgenommen.
Hören Sie hier ihr «Gebet des Klosters am Rande der Stadt»:
Leben im Spannungsfeld
2008 verfasste Silja Walter ihre literarische Autobiografie «Das dreifarbene Meer». Darin blickt die 90-Jährige auf ihr Leben zurück – ein Leben im Spannungsfeld zwischen ihrem persönlichen Glauben, klösterlicher Disziplin und künstlerischem Schaffen. Verstärkt entwickelte sie die Gattung des literarisch-spirituellen Tagebuchs in den Werken «Die Beichte im Zeichen des Fisches» und «Ich habe meine Insel gefunden». In ihrem letzten Buch «Der Kamm der Queen» kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück, der über Generationen vom Kamm geprägten Walter-Familie. Darin enthalten ist der Satz: «Im Geheimnis des Anfangs stehen, im Geheimnis der Welt stehen ist auf jeden Fall, worüber ich schreiben muss, auch wenn es sich dabei um ein Geheimnis handelt und ich noch nicht weiss, was und wie ich darüber schreiben soll.» Eine Aussage, bezeichnend für ihren ganzen Lebens– und Wirkensweg.
Schwester Maria Hedwig (Silja) Walter verstarb in ihrem 92. Lebensjahr und im 62. Jahr ihrer monastischen Profess. Die Fahrer Klostergemeinschaft ist dankbar, dass Schwester Hedwig in ihrem reichen Werk, das sie der Welt und der Kirche geschenkt hat, weiterlebt.
Die Insel
Ich habe meine Insel gefunden,
den Ort,
wo das Wort,
das Himmel und Welt
im Leben erhält,
aus der Höhe fällt,
aus der Tiefe steigt.
Himmel und Welt
sind in mir jetzt verbunden.
Ich habe meine Insel gefunden.
Silja Walter | Schwester M. Hedwig OSB
Silja Walter erleben
In Erinnerung an das Leben und das künstlerische Schaffen der Dichterin Silja Walter, die über sechzig Jahre als Schwester Maria Hedwig im Kloster Fahr wirkte, gibt es in der Propstei einen Silja-Walter-Raum. Führungen bieten noch tiefere Einblicke in das Leben von Silja Walter.